4. „Ich bin El Schaddai!“ (Gen 17, 1–27)

El Schaddai  •  Sermon  •  Submitted
0 ratings
· 13 views
Notes
Transcript

Gen 17, 1–27 Abrams Glaube war stark genug gewesen, auf Gottes Berufung hin aus Haran nach Kanaan zu ziehen. Aber er erwies sich zu schwach, Gottes Stunde abzuwarten, wo es sich um den Empfang Isaaks handelte. Ismaels Geburt war nur die sichtbare Frucht von dem innerlichen Versagen seines Vertrauens. Und noch immer griff der Mensch zu menschlichen Mitteln, um göttliche Verheißungen zur Erfüllung zu bringen, sobald er das unbedingte Vertrauen zum Handeln Gottes verlor.

Sechsundachtzig Jahre (also elf Jahre nach seiner Berufung) war Abram, als ihm Ismael geboren wurde. Erst als er neunundneunzig Jahre alt war, ward Jahve ihm aufs neue sichtbar und sprach zu ihm: „Ich bin El Schaddai, wandle (als) vor meinem Angesichte und werde vollendet.“ Wie reich an wahrem Gotterleben waren die elf Jahre gewesen, wo Abram trotz seines gelegentlichen Versagens dennoch immer wieder Gott vertraut hatte. Es erfolgte Offenbarung um Offenbarung von Gottes Seite und Abram sah sich durch sie von Fall zu Fall inspiriert und konnte im Lichte derselben seine Entscheidung treffen. Wie arm ward jedoch sein Leben im Laufe von dreizehn Jahren, wo der Herr ihm nichts zu sagen hatte. Abram hatte durch seine Zuflucht zu Hagar geredet; und solange er redete, musste Gott schweigen. Es zeigte sich, dass er sich in seinen menschlichen Kräften und Reserven noch nicht ausgegeben hatte. Der Mensch eilt aber auch in dem Heiligen und Allerheiligsten Gott zu Hilfe, solange er über einen Rest von eigenen Kräften und Mitteln verfügt. Anstatt sich durch die Gabe eines Isaak von Gott begnadigen zu lassen, sucht er sie sich selbst zu erwirken. Isaak kann aber nur als Geschenk und zwar vom Glauben empfangen werden. Niemals kann er die Frucht menschlichen Könnens sein. Solange also Abram Reserven der Kraft in sich trägt, kann Gott auf dieser Linie nicht zur Erfüllung bringen, was allein auf der Linie des Glaubens erfüllt werden kann, und wenn Er auch dreizehn und mehr Jahre warten muss. Wie verständlich werden in diesem Lichte jene an Offenbarung so arme Zeiten, von denen das Leben einzelner und auch der Kirche Christi so voll gewesen sind. Gott schwieg, weil der Mensch redete, Isaak konnte nicht geboren werden, weil Abram noch einen Ismael zeugen konnte. Und wie war man zunächst befriedigt durch den vorzeitigen Segen, den man sich durch die Selbsterfüllung einer göttlichen Verheißung erwirkte.Wo man aber zufrieden war mit dem Erwirkten und Empfangenen, da hatte die Offenbarung keine Botschaft. Ihr Evangelium galt je und je nur den Müden, Kranken, Durstigen, Bankrotten. Für solch ein Evangelium erwies sich Abram aber erst nach dreizehn Jahren zugänglich. Wieviel Zeit brauchte doch vielfach der Mensch, bis er in Bezug auf die Erfüllung göttlicher Zusagen das Vertrauen zu sich selbst aufzugeben vermochte. Hier liegt eine Klippe, an der Abram nicht allein gestrandet ist. Wir strandeten und stranden an derselben, bis Gottes Schweigen uns unerträglich geworden, und die Offenbarung wieder zu uns reden kann. Abram wäre niemals aus diesem Zustand heraus gekommen, wenn nicht Gott wieder geredet hätte. Die Berufung hätte mit einem Ismael, der dauernde Zwietracht, Wildheit und Enttäuschung in die Zelte der erwählten Familie trug, einen tragischen Abschluss in der kommenden Geschichte gefunden. Denn Ismaels Gesinnung konnte nie Erbin der Segnungen Abrams werden und nie Prophetin der Offenbarung unter den Völkern sein. Aber der Gott der Offenbarung, der einen Abram berief, war auch der Gott der Geduld und der Barmherzigkeit, der Abram wieder auf den Boden des Glaubens führte.Der alleinige Weg war wiederum nur der der Offenbarung. Diese setzte bei Abram da ein, wo er versagt hatte und sprach: “bin El-Schaddai“. Sie erschloss dem Abram zu nächst ganz neue Blicke für Gottes Wesen.

Aus der vermehrten Gotteserkenntnis sollte alsdann vermehrtes Gottvertrauen geboren werden. Die hebräische Wurzel von „Schaddai“ bezeichnet Gott als den „Voll-Genügenden“, den alles Vermögenden. Die Weisen Israels verbinden daher mit dieser Erklärung die tiefsten Anschauungen über Gott. Der Herr wollte dem Abram sagen: „Ich bin’s, der Ich meiner Welt das „Genug!“ zu gerufen; hätte Ich Himmel und Erde nicht „genug!“ zugerufen, sie würden sich noch gegenwärtig fort und fort weiter entwickeln… Es ist dir genug, dass Ich dein Schutzherr bin und nicht nur dir allein, es genügt der Welt, dass Ich ihr Gott, dass Ich ihr Schutzherr bin.“ „Siehe dich um in meiner Welt! Überall siehst du dem Ganzen und dem einzelnen ein „Genug!“ aufgeprägt und dieses „Genug“ offenbart „Mich!“ Wären Himmel und Erde das ewige Produkt ewig blind waltender Naturkräfte, warum schaffen die schaffenden Kräfte nicht fort, was hat ihrem Schaffen in dem nun bereits Jahrtausende bestehenden Bestand das Ziel gesetzt, welches „Genug!“ hält ihre Schöpferallmacht zurück, dass sie sich nicht fort und fort in neuen Schöpfungen offenbaren? Eben dieses „Genug!“, dieser Sabbatstempel der Schöpfung ist das Gottessiegel an Himmel und Erde, macht die Menschenweisheit zum Gelächter, verkündet Himmel und Erde nicht als das Produkt blinder, physisch gebundener Kräfte, sondern als das freie Werk eines seine Schöpfergedanken mit freier Allmacht und freiem Willen frei verwirklichenden Meisters.“ Dieses „Genug!“ hatte Abram zu nächst in Gott nicht gesehen. Daher hatte er versucht, durch Hagar Gottes Verheißung zur Erfüllung zu bringen. So musste Gottes Offenbarung dem Glauben Abrams erst wieder eine neue Gotteserkenntnis geben, bevor er aus dem eingenommenen Standpunkt herauskam. Und nachdem das geschehen, gab Gott ihm den Auftrag: „Wandle (in bewusster Entscheidung als) vor meinem Angesichte und werde vollendet,“ d.h. lasse dich in deinem ganzen Verhalten von dem Lichte dieser Gotteserkenntnis bestimmen und leiten, richte dein ferneres Leben so ein, dass du vor diesem Angesichte deines Gottes wandelst und darin vollendet wirst. Das ist Radikalismus des Glaubens auf Grund göttlicher Offenbarung, Einseitigkeit der Berufenen, die Erben der Verheißung werden sollen, Separatismus der Ebräer, die als Gesegnete eines Tages die Welt segnen werden!

Abram stand daher nach dieser Gottesoffenbarung wiederum vor einer Entscheidung. Dieselbe war für ihn vielleicht nicht leichter als die bei seiner Berufung in Haran. Griff sie doch noch viel tiefer in sein Allerinnerstes ein, wurde ihm doch zu gemutet, völlig auf sich selbst zu verzichten, wo es sich um den Empfang einer Gabe Gottes handelte. Nur auf diesem Wege konnte Gottes Verheißung Erfüllung und Abrams Berufung für den Wandel des Glaubens vollendet werden. Erst auf der Grundlage dieses Verhältnisses des unbedingten Vertrauens zu Gott konnte nun auch Gottes Bund zum Bunde Abrams werden. Von Gottes Seite stand die dem Abram gegebene Verheißung fest. Sie konnte in ihrer Erfüllung durch keine Zeitereignisse und durch keine menschlichen Unmöglichkeiten gehindert werden. Ebenso absolut sollte nun Abrams Hingabe an die ihm gewordene Offenbarung, die Unterordnung unter das uneingeschränkte Können Gottes sein. Daher sprach der Herr zu Abram:„Ich möchte meinen Bund zwischen mich und dich gehen und dich im äußersten Maße mehren. Da warf sich Abram auf sein Angesicht, und es sprach mit ihm Gott und machte ihm die Mitteilung: Ich, was mich betrifft, siehe, mein Bund ist nun mit dir und du wirst zum “Vater der wogenden Menge der Völker.“ In diesen wunderbaren Zügen der Vorbereitung Abrams für die Geburt Isaaks, eine Vorbereitung, wo alles allein auf die Verheißung und das Können Gottes eingestellt war, liegt eigentlich das ganze Geheimnis des israelitisch-jüdischen Volkes.

„Die jüdische Bestimmung wächst nicht aus den natürlichen Ereignissen hervor, eine pragmatische Geschichte der Juden im gewöhnlichen Sinne ist unmöglich. Auf natürlichem Wege wäre nie der erste Jude entstanden und gäbe es längst keinen Juden mehr. Isaak, der gewöhnlichen Berechnung eine lächerliche [135] Unmöglichkeit, das ist der Typus der jüdischen Erscheinung. Beides, beiderseits: ביני וביכיך die von mir dir zu gewährende geschichtliche Existenz, sowie die von dir mir zu leistende Hingebung soll ברית - Bund sein, von allen äußerlichen Verhältnissen und Bedingungen völlig abgelöst, völlig unabhängig.“

Dasselbe gilt auch von der neutestamentlichen Gemeinde. Wie Isaak ist auch sie in ihrem Geiste der Sohnschaft ein Rätsel der Geschichte, weil sie nicht vom Geist der Geschichte gezeugt und aus der Entwicklung der Geschichte herausgeboren ist. Die Kirche Christi im paulinischen Evangelium ist Gottes Wunderwerk, eine Neuschöpfung innerhalb der alten, der gegenwärtige Tempel des Heiligen Geistes, der sich füllen soll mit der Majestät Gottes und der Herrlichkeit des Lammes. Hier wird das Leben nicht auf Grund natürlicher Gesetze, sondern hier ist alles in seinem Werden und Wachsen gebunden an das dauernde Wirken dessen, der allein Wollen und Vollbringen zu geben vermag. Ihre Erscheinung und Existenz ist daher nicht abhängig vom Gang der Weltgeschichte, wird nicht bestimmt durch die Gunst oder den Widerspruch der Zeitströmungen, ist nicht gebunden an menschliche Machtmittel und politische Einflüsse, sondern ihr Fundament und ihre Zukunft ruhen in dem Gnadenbunde, der zwischen Gott und ihr besteht. Wie die Welt auch über dieses Geheimnis orakeln mag, sie löst es nicht, weil die Geschichte der Kirche nicht dem Wesen ihrer Geschichte entspricht. Sie bleibt ihr ein Geheimnis, wie Gott selbst und seine Offenbarung in der Person Jesu Christi ihr ein Geheimnis sind.

Auf Gottes Offenbarung war Abrams Antwort erfolgt, indem er sich auf sein Angesicht niederwarf. Dies sprach mehr, als Worte hätten sagen können. Es war das Nein zu seinem bisherigen Können und das Ja zu dem Können Gottes: die bedingungslose Hingabe an Gottes Wirken. Auf diesem Boden lag die Verheißung seiner Zukunft:„Und du wirst zum Vater der wogenden Menge der Völker.“ Wenn hier von Völkern die Rede ist, so haben wir kaum an jene Völker zu denken, die ihre Abstammung einem Abram verdanken. Dass Abram auch der Vater zahlreicher israelitischer Stämme und vieler „Könige“ werden solle, diese Verheißung wurde ihm erst nachher gegeben. Aber Abram sollte durch seine prophetische Weltmission zu einer geistigen Vaterschaft, zu einem neuen erhaltenden Lebensprinzip mitten in der wogenden Völkerwelt werden. Dies sollte besonders auch durch die Namenänderung zum Ausdruck kommen. „Und nicht mehr soll man dich Abram nennen, sondern Abraham soll dein Name sein; denn zum Vater der wogenden Menge der Völker habe ich dich bestimmt“ Wir können uns tatsächlich nicht ausdenken, was aus dem Völkergewoge im Laufe der Jahrtausende geworden wäre, wenn nicht durch Abrams Geist, durch Moses Gesetzesökonomie, durch der Propheten Messiasbotschaft und durch die Glaubenssprache der Psalmen jene erhaltenden Ewigkeitskräfte in die Welt getreten wären, durch die sie vor einer völligen Zersetzung und Auflösung bewahrt wurde. War doch Gottes Offenbarung, [138] deren Träger Abram und seine Geschlechter wurden, nichts geringeres als der als der Zuchtmeister bis auf Christus hin, in dem in der Fülle der Zeit alsdann die ganze Fülle des Heils zur Erlösung aller erscheinen konnte, die da glauben.Abram hatte mit seinem Niederwerfen auf sein Angesicht die Aufgabe seiner Selbständigkeit und seine Hingabe an die Abhängigkeit von Gott bekundet. Gottes Antwort war: „Siehe, mein Bund ist nun mit dir!“ Mit der von Gott ausgehenden Namenänderung fand das bisherige Leben „Abrams“ seinen großen Abschluss und es begann das Leben „Abrahams“: Die prophetische Mission und die geistige Vaterschaft des Berufenen für eine wogende Völkerwelt. Mit „Abram“ schloss eine große Vergangenheit, in der es der göttlichen Offenbarung gelungen war, den Berufenen in die bewusste und freiwillige Abhängigkeit von Gott zu bringen. Mit „Abraham“ begann hinfort eine noch weit größere Zukunft, in der durch den Geist des Glaubens und durch die empfangene Gottesoffenbarung auch die wogende Völkerwelt zu ihrem Heil gesegnet werden würde. Erst als Gesegneter konnte Abram segnen, erst als Inspirierter wurde er Prophet.Dem Geschehenen fügt Gott nur noch die Versicherung hinzu:„Aber auch dich selbst werde [139] Ich im äußersten Maße fruchtbar machen, werde dich selbst zu Völkern werden lassen und Könige sollen von dir stammen; und Ich werde meinen Bund zwischen deinen Nachkommen nach dir für ihre Geschlechter zum ewigen Bunde aufrecht erhalten, dir und deinen Nachkommen nach dir Gott zu sein.“Das waren Glaubensperspektiven für die Zukunft, wie sie Gott allein zu geben vermag. Von Gottes Seite wird das Wesen des Bundes sein: „Ich will dir Gott sein“ und: „Ich will deinem Samen nach dir Gott sein.“ Welche Schwankungen auch im Laufe der kommenden Zeiten eintreten, welche Mächte- und Völkergruppierungen sich auch vollziehen werden, welche Verschiebung in der Stellung deiner Geschlechter auch eintritt, „Ich“ will Israel sowohl in seinen Glanz- als auch in seinen Galuthzeiten Gott sein. Von meiner Seite wird sich das Volk nie verlassen sehen, es wird nur verlassen sein, wenn es von seiner Seite das Bundesverhältnis bricht und seine Götter sucht und findet außer mir.Welch ein Glaubensstandpunkt gewinnt doch auch heute immer wieder der Mensch, wenn Gott ihm wirklich Gott sein kann und zwar mit seinem göttlichen Tröste in den Nächten und Stürmen des Lebens, mit seiner zielbewussten Leitung mitten in den Wirrnissen und Irrungen der Zeit, mit seiner weltüberwindenden Kraft angesichts des Zusammenbruchs alles eigenen [140] und menschlichen Könnens, mit seiner triumphierenden Zukunft trotz der Erhebung aller feindlichen Mächte gegen eine kommende Gottesherrschaft und Erlösung. Wem Gott wirklich Gott sein kann, der kommt je länger desto tiefer auch in Gott zur Ruhe, der lernt warten, wo Gott wartet und wagt zu handeln, wo Gott handelt, der segnet, wo Gott segnet und schweigt, wo Gott schweigt. Wer aber erst in Gott zur Ruhe gekommen, kann auch andre zu derselben Ruhe führen, wer Gottes Herrlichkeit in dessen einzelnen Handlungen gesehen, der trägt wieder eine Prophetenbotschaft von dem Können Gottes für die Müden in seiner priesterlichen Seele.

Related Media
See more
Related Sermons
See more